Nebel im August

Am Freitag, dem 11.10.2019 war am Descartes-Gymnasium der Buchautor Robert Domes zu Gast und stellte den Schülerinnen und Schülern der Q11 seinen Erfolgsroman „Nebel im August“ vor, mit dem er im Jahr 2008 bekannt wurde. Vor seiner Tätigkeit als Autor hat der gelernte Journalist als Lokalredakteur bei der Allgäuer Zeitung gearbeitet. Nachdem er sich schon längere Zeit beruflich verändern wollte, kam er, inspiriert durch eine Krankenakte, welche ihm von einem Bekannten zugespielt wurde, auf die Idee, einen Roman über Ernst Lossa zu verfassen, der im Jahr 1944 im Alter von nur 15 Jahren von den Nationalsozialisten in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee ermordet wurde. Lossa gehörte der Bevölkerungsgruppe der Jenischen an, einer Personengruppe, die lange Zeit eine nomadische Lebensweise praktizierte und fälschlicherweise zum Teil mit der Bezeichnung „Zigeuner“ gleichgesetzt wird. 

Die Hintergründe konnte sich der Autor aus den genannten Krankenakten erschließen, in welchen der Werdegang des Halbwaisen Ernst Lossa aus Sicht der Täter protokolliert worden war. Neben der Krankenakte hatte der Autor auch Kontakt zu einem Zeitzeugen, der sich zur gleichen Zeit wie der Junge in der Anstalt aufgehalten hat. Zweifelsfrei belegt sind diverse Lausbubenstreiche – Lossa sei mit Sicherheit kein einfaches Kind gewesen, jedoch wird durch die Darstellung des Autors ins Bewusstsein gerufen, dass die Ideologie der Nationalsozialisten auch nicht vor der gezielten Ermordung von Kindern und Jugendlichen Halt machte. So ist den Akten beispielsweise zu entnehmen, dass die Gutachterin in Lossa „zweifellos (…) einen an sich gutmütigen, aber völlig willenlosen, haltlosen, fast durchschnittlich begabten, triebhaften Psychopathen“ sah, eine aus heutiger Sicht völlig abwegige und wissenschaftlich nicht begründbare Diagnose. 

Der im Präsens verfasste Roman „Nebel im August“ stellt in personaler Erzählweise die Lebensgeschichte Lossas dar. Und der Autor legt großen Wert darauf, dass tatsächlich das Leben dargestellt wird, und nicht lediglich der Fokus auf dem Tod des Jungen liegt. Sicherlich enthält das Werk recht viel Fiktion, da man lediglich aus den Akten und den Zeitzeugenberichten keinen umfassenden Roman gestalten kann. Zu den vom Autor gewählten Textstellen gehört beispielsweise auch eine Liebesgeschichte, die sich theoretisch in dieser Form ereignet haben könnte. 

Herr Domes hat eine Antwort auf die Frage, warum Lossa aus der Anstalt nicht geflohen ist, denn tatsächlich wäre das im Prinzip ohne Weiteres möglich gewesen: Obwohl die Krankenakte den Jugendlichen wie ein kleines Monster darstellt, muss er beim Personal wohl recht beliebt gewesen sein und sich dank einzelner Bezugspersonen nicht allzu unwohl gefühlt haben. 

Die Verfilmung wird vom Autor insgesamt gelobt – allen voran der Hauptdarsteller Ivo Pietzcker – in einzelnen Punkten aber auch kritisiert. So findet er es schade, dass der Film erst recht spät im Roman einsetzt. Außerdem sei es nicht gut, dass am Ende eine Provokation des leitenden Mediziners durch Lossa dazu führt, dass er auf die Todesliste gesetzt wird. Denn in Wahrheit ist der Grund nicht bekannt und es bedurfte im Endeffekt dafür keines Grundes. 

Ferner weist der Autor auf den zu milden Umgang mit den Tätern in der Nachkriegszeit hin. So ist beispielsweise der Leiter der Anstalt Kaufbeuren-Irsee, Valentin Faltlhauser, nach dem Krieg lediglich wegen Beihilfe zum Totschlag zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Die Tatsache, dass die ohnehin nicht hohe Haftstrafe dann wegen Haftunfähigkeit nicht zur Vollstreckung kam und sogar im Jahr 1954 in eine Begnadigung durch den bayerischen Justizminister mündete, damit Faltlhauser auch noch bis zu seinem Tod eine ansehnliche Beamtenpension erhalten konnte, stößt die jungen Zuhörer vor den Kopf. 

Die Veranstaltung hatte fächerübergreifenden Charakter: Im Deutschunterricht ist die Lesung mit Herrn Domes angesiedelt – passend dazu findet im Geschichtsunterricht ein Besuch der Ausstellung „Im Gedenken der Kinder“ – Die Kinderärzte und die Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit“ statt, welche bis Ende Oktober noch im Landratsamt Neuburg zu sehen ist. 

Im Anschluss an die Veranstaltung nutzten mehrere Schülerinnen und Lehrer die Gelegenheit, um mit dem Autor ins Gespräch zu kommen und sich eines der Romanexemplare zu kaufen und signieren zu lassen.