Wo ist der DIRIDARI? In der TIRELIRE...?!

Moliere BuchObwohl in allen Klassenzimmern des Descartes-Gymnasiums ein Sparschwein - für Spenden an Pater Gerhard - steht, war das Wort „la tirelire“ sicher für die meisten der Oberstufenschüler unbekannt - vor der Lektüre von Molières „Geizigem“. Dass junge Leute, also „Rotznasen“ oder „Stutzer“ in der Liebe „ungenießbar“seien, und, noch dazu „mit ihrem weichlichen Milchgesicht, ihren drei Härchen, die sie zum Schnurrbart hochdrehen, ihren Perücken aus Werg, ihren schlotternden Plumphosen und ihren lässig geöffneten Westen“ für einen stattlichen „sexagénaire“, also einen über Sechzigjährigen, keine wirkliche Konkurrenz in Liebesangelegenheiten darstellen sollten, war für viele Schüler ebenfalls neu. Und die Verwechslung einer attraktiven jungen Frau mit einer Geldkassette führte dazu, dass beide „beaux yeux“ also „schöne Augen“ haben durften!

Siebzig Oberstufenschüler hatten im Französischunterricht diese witzige und turbulent gespielte Komödie Molières vollständig oder auszugsweise gelesen, so dass der Besuch der französischsprachigen Aufführung im Ingolstädter Theater Mitte Oktober eine gelungene Ergänzung darstellte. Kurios und unmenschlich agierte der Protagonist Harpagon als Inbegriff des Geizes und warf damit einen Blick auf die Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, die Molière jeweils karikierte und spöttisch bloßstellte. Während der „Avare“ jedoch zunächst nur geringen Erfolg beim Publikum hatte, erkannten spätere Kritiker, darunter Goethe, die Tragik innerhalb des Familiendramas: Sein Geiz erlaubt es Harpagon nicht mehr, sich und seine Kinder als menschliche Wesen mit Bedürfnissen und Träumen zu verstehen: Liebe und Freundschaft, Aufrichtigkeit und Lebensziele sind aus seiner Sicht stets auf ein „Noch-Mehr“ hin ausgerichtet. Wenn die Gesellschaftsdame Frosine zu Cléante sagt, „Ich bin sicher, dein Vater mag dich - aber sein Geld mag er noch etwas lieber!“ beweist dies die auf den ersten Blick verdeckte zweite Ebene, die das Theaterstück im Zuschauer anspricht. Hélas! Am Ende- kurz vor der Doppelhochzeit seiner beiden Kinder mit jeweils „guten Partien“ - wird selbst Harpagon sein DIRIDARI im TIRELIRE wohl fade: Er telefoniert (!) mit Frosine und macht ein Treffen zum Diner aus - um nicht mehr nur Geld sondern die schönen Augen einer Frau zu sehen!